FDP-Stadtrat Dr. Rudolf Saller nimmt wie folgt Stellung zum Leserbrief von Frau Hornemann am 21.06.2017, abgedruckt im Altöttinger Anzeiger, siehe Leserbrief am Ende dieser Stellungnahme:

Einen musealen Denkmalschutzbegriff gibt es ebenso wenig wie jemand eine Stadt und ihre Bürger unter einer Käseglocke konservieren könnte oder wollte. Eine Stadt lebt und mit ihr auch ihre Architektur. Das war zu allen Zeiten so, auch in der Gründerzeit, dem Jugendstil, der Bauhaus-Zeit und ist auch in der Postmoderne so. Tempora mutantur.

Dass dabei nicht jedem alles gefällt, liegt in der Natur der Sache und im Übrigen im Auge des Betrachters. Das Baurecht ist Ausfluss der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG und damit verfassungsmäßig geschützt. Dass nicht jeder in Frieden bauen kann, wenn es dem lieben Nachbarn nicht gefällt, ist ebenfalls altbekannt. Die Nachverdichtung im Innenbereich ist allerdings gesetzliches Gebot und seit Jahren in § 1 a Abs. 2 BauGB verankert, damit für die Verantwortlichen beachtlich. Mit Grund und Boden ist danach sparsam umzugehen, weil er nicht beliebig vermehrt werden kann.

Dass dabei die Nachbarbelange zu berücksichtigen sind, versteht sich auch von selbst, ist aber ebenfalls gesetzlich z.B. in § 34 Abs. 1 BauGB geregelt. Danach ist innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen dabei gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden. Darauf kommt es an und nichts sonst.

Die Nachbarbelange werden dabei in einem gesetzlich geregelten Verfahren der Nachbarbeteiligung berücksichtigt und interessengerecht abgewogen, manchmal zugegebenermaßen auch zum Nachteil der Nachbarn, aber eben ermessensfehlerfrei.

Gebäude geraten an den Rand ihrer Nutzungsdauer, verfallen, stehen leer oder werden ein Raub der Flammen und müssen ersetzt werden. Baulücken werden geschlossen. Altes durch Neues ersetzt. Das ist nur natürlich. Die Kunst liegt darin, die gegenseitigen Interessen in Einklang zu bringen. Das ist nicht immer einfach und oft nicht vollauf befriedigend, weil ein Kompromiss der widerstrebenden Interessen gefunden werden muss, wie schon eine vierjährige Planungsphase an der Beckstraße oder das fünfjährige Ringen eines Bauwerbers um eine Baugenehmigung in Altötting gezeigt haben.

Bis 2010 wurden in Altötting im 10-Jahres-Durchschnitt nur 12,9 Wohnungen fertiggestellt. Das ist gottlob anders geworden und sorgt für zeitgemäßen und bezahlbaren Wohnraum, damit auch für Zuzug. Die Bevölkerungszahl sinkt nicht, sondern steigt dadurch. Moderne Gebäude mit charakteristischen Fassaden anstelle vorheriger Brachflächen sind ein Gewinn für die Stadt, ebenso neuer Wohnraum anstelle eines Schandflecks, der 40 Jahre lang im Herzen Bayerns achtlos und faulig vor sich hin rottete.

Wie ein Umbau mit 14 Loftwohnungen und vielleicht 30 Fahrzeugbewegungen pro Tag eine grausige Verkehrssituation am Kellererberg erzeugen soll, bleibt das Geheimnis der Lesebriefschreiberin, ebenso wie der angeblich miserable Zustand der Trostbergerstraße, der noch miserabler wird, je mehr man sich dem Tillyplatz nähert, aber längst Thema einer Neu- und Umgestaltung ist.

Die Kunst dabei ist - wie immer - Schutz- und Erhaltenswürdiges mit Neuem und Veränderungen in Harmonie und Einklang zu bringen. Dafür gibt es Fachleute, Planer und Architekten, die von ihrer Arbeit in derselben Ausgabe der ANA vom 21.06.17 ein beredtes Zeugnis ablegen (ANA vgl. S. 17), sei es in eiern alten Brauerei oder in einer neuen Schule. Wohnliche Ecken verschwinden dabei nicht, sondern entstehen neu, sei es in Baugebieten an der Wiesmühle oder der Schlotthamer Straße, sei es in der Innenstadt, wo vorher Ratten und Mäuse tobten.

Unqualifizierte Beiträge von selbsternannten Spezialisten helfen da wenig und verärgern nur die Verantwortlichen. Die Stadtratsarbeit ist schwer genug und niemand macht sich das leicht – ehrenamtlich.

Die Kritiker mögen sich selbst in dieses Gremium reinsetzen und Monat für Monat Arbeits- und Freizeit opfern, um sich um die Probleme anderer Leute zu kümmern. Dagegen den Vorwurf des Lobbyismus zu setzen und mit Unwahrheiten zu schmücken ist allenfalls demagogisch, aber modern.

Gewonnen ist damit nichts, weder für die Nachbarn, noch für die Investoren. In eine Stadt zu investieren ist übrigens nichts Schändliches, sondern begrüßenswert. Auch Kurfürst Josef Clemens von Bayern hat in Enrico  Zuccalli investiert. Die Spuren davon sind heute und hoffentlich noch lange sichtbar, nicht nur in Nymphenburg.

Dr. Rudolf Saller, FDP-Stadtrat, Altötting 

Leserbrief Hornemann21062017